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Peer Gynt auf der Marktplatte

NN-Theater wagt dramatische Reise des Traums vom Ich

(hdp) Schwerer Stoff, das auch als “Norwegischer Faust” bezeichnete Drama “Peer Gynt” des norwegischen Dichters Henrik Ibsen (1828-1906). Doch das in Sankt Augustin gut bekannte Kölner NN-Theater brachte das Stück am vergangenen Freitag auf die Bühne vor dem Rathaus, und zwar auf seine Art.

Peer, ein Bauernsohn, 20 Jahre jung, verabscheut die Arbeit und lebt in einer Welt, die so gar nicht existiert. Wunsch und Wirklichkeit verschwimmen genauso wie Fakten und Lügen. Seine Mutter: “Der Junge ist gut, der hat ganz viel im Kopf. Der kommt da nur nicht dran,” verzweifeln genauso wie seine Umgebung: “Sein Vater war ein Säufer. Seine Mutter spinnt. Kein Wunder, das Peer Gynt nichts gewinnt.”

Peer verlässt seine Heimat und irrt durch das Reich der Trolle, Sklavenhändler und fremde Kontinente, ohne jemals Fuß zu fassen. Passiert das alles wirklich oder sind es nur Träume? Diese Frage lässt NN mit seinem verblüffend einfachen und flexibel genutzten Bühnenaufbau, die phantasievolle, manchmal schrägen Requisite gewollt offen und gibt so den rund 300 Zuschauern Raum für eigenes Erstaunen und Verarbeiten der quirligen Aufführung des vier-köpfigen Schauspielteams. Während Bernd Kaftan meist Musik und Geräusche arrangiert, wirbeln Irene Schwarz, Christine Per und Christina Wiesemann in wechselnden Rollen und Kostümierungen pausenlos und mit atemberaubenden Textpassagen über die Bühne. Peer Gynt ist dabei immer am roten Hut erkennbar. Phasenweise tragen alle drei Schauspielerinnen rote Hüte und plakatieren so das verwirrte Seelenleben von Peer.

NN wäre nicht NN ohne eine selbstkritische Bezugnahme auf die Gegenwart. So tut sich Peer schwer bei den Trollen und ihren eingefahrenen Lebensgewohnheiten: “Bei uns gilt nur unsere Leitkultur.” Und auch seine Mutter hadert: “Was ist aus unserem Wohlstand geworden. Wir knien tief im Dispo.” Das Markenzeichen von NN, klassische Stücke auch mit schweren Inhalten phantasievoll, unterhaltend, lebendig und mit Witz “unters Volk” zu bringen, hat wieder mal gegriffen, verbunden mit dem augenzwinkernden Hinweis: “Ist das Blut auch noch so dünn, wir sind doch alle verwandt mit Peer Gynt.”

Insgesamt ein gelungener Theaterabend mit einem bewährten Ensemble in neuer Umgebung, wenn auch so einige Stammgäste dem bisherigen Veranstaltungsort im Park hinter dem Steyler Missionsgebäude nachtrauerten.

Die Mutter (Irene Schwarz) von Peer hadert mit ihrem Sohn. Fotos: hdp

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